Mein Weg zum Qi Gong

Bereits in den 1980er Jahren, als ich in Hong Kong lebte und gelegentlich nach China reiste, sah ich täglich Menschen, die unterschiedliche Formen von „Gymnastik“ praktizierten. Da war der geschmeidige Mann im Botanischen Garten in Hong Kong, der voller Elan mit einem Schwert hantiert, es durch die Luft schwingt, unsichtbare Gegner attackiert. Immer jedoch strahlt er Ruhe, Präsenz und Freude aus – geheimnisvoll und faszinierend. Die alte Frau im traditionellen Hosenanzug mit den Knebelknöpfen, wie Bäuerinnen und einfache Arbeiterinnen sie tragen; sie hält sich an einem Geländer fest und rotiert mit den Hüften, immer und immer wieder, links herum und rechts herum. Menschen in der U-Bahn von Hong Kong sitzen in ihren Geschäftsanzügen da, dösen oder schlafen oder massieren sich die Finger und Handgelenke, streichen sich über das Gesicht oder drücken auf irgendwelche unsichtbaren Punkte im Gesicht oder an den Händen. Große Gruppen von Menschen jeden Alters in Mao-Anzügen üben im Park in Shanghai, in saubere Reihen aufgestellt, das was ich als „Schattenboxen“ vage kannte – fremd, exotisch, aber auch berührend.

Ein junger deutscher Arzt in Hong Kong , ausgebildet in chinesischer Medizin, beschrieb mir Qi Gong und ich wollte es gerne lernen. Das war 1984. Zu meiner unendlichen Freude kündigte sich jedoch mein erster Sohn an und Qi Gong musste warten.

2005, seit einigen Jahren wieder in München, hatte ich einen Hörsturz. Jeden zweiten Tag ging ich zum HNO-Arzt zu Infusionen. Ohrgeräusche und Lärmempfindlichkeit machten mir zu schaffen. Jedes Mal sah ich ein Schild an der Nachbartür, das Zen-Meditation und Qi Gong anzeigte. So fand ich meinen Weg zum Qi Gong und zum Zen, wie viele andere vor mir: über das Leiden, über Krankheit. Ich wollte, dass es in meinem Kopf wieder ruhiger wurde.